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Deutschunterricht inhouse? Machbar!

Drei Berliner Hotels experimentieren mit einem maßgeschneiderten Deutschkurs im Housekeeping. HOGA:Co hat sie begleitet und bei der Dozentin Claudia Wack nachgefragt: Was genau passiert da und was bringt es?

Deutsch im Housekeeping, was heißt das? Wen unterrichtest Du in was?

Ich unterrichte Mitarbeitende, die für die Reinigung der Zimmer zuständig sind und die gar kein oder sehr wenig Deutsch sprechen. Wir erarbeiten uns Grundlagen – wie heißen die Gegenstände, wie entsteht darüber ein vollständiger Satz, eine Aussage, eine Frage – anhand von beruflichen Alltagssituationen, zum Beispiel für das Gespräch mit Gästen über die Zimmerausstattung, über Sonderwünsche, oder für das Gespräch mit Kolleg*innen für die Übergaben im Schichtwechsel oder bei Unklarheiten.

Heißt das, Ihr übt die nötigsten Standardsätze ein?

Nein, genau das nicht. Um sich in einer Sprache bewegen zu können, reicht es nicht, papageienartig vorgefertigte Sätze zu wiederholen. Es geht immer darum, eigene Sätze zu bilden. Ich muss die Bauteile und Mechanik einer Sprache kennen und wissen, wie ich daraus das formuliere, was ich sagen will. Sprechen ist immer etwas Kreatives, und je besser ich die Werkzeuge benutzen kann, desto klarer kann ich mich verständlich machen und andere verstehen. Der Kurs will den Grundstein dafür legen, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen diese Fähigkeiten in Deutsch erwerben oder weiterentwickeln.

Warum ist das nötig? Hat die Verständigung nicht auch ohne Deutsch funktioniert?

In den Hotels, die ich durch den Unterricht kennengelernt habe, arbeiten im Housekeeping Menschen mit ganz unterschiedlichen Sprachkenntnissen, teilweise haben sie untereinander gemeinsame Sprachen, manchmal gibt es jemanden, der oder die für eine Teilgruppe übersetzen kann, manche verständigen sich in einfachstem Deutsch, und sehr viel passiert mithilfe von Smartphone und elektronischer Übersetzung. Eine gemeinsame Sprache ist aber für bestimmte Themen unverzichtbar: denken wir an Hygiene und Arbeitsschutz, damit nicht durch Übersetzungsfehler Arbeitsmittel verwechselt oder falsch gehandhabt oder Vorschriften nicht eingehalten werden. Aber auch im Umgang mit Gästen: jedes Hotel braucht Mitarbeitende, die zuvorkommend mit Gästen umgehen und fachlich korrekt Auskunft geben können, und dazu müssen die Gepflogenheiten und der Stil des Hauses transportiert werden.

Wie trägt Sprache zur beruflichen Weiterentwicklung bei?

Natürlich hängt von einer gemeinsamen Sprache auch ab, ob ich mich an meinem Arbeitsplatz aktiv und konstruktiv einbringen kann, ob ich zum Beispiel Verbesserungsvorschläge machen kann, ob ich im Personalgespräch meine Sorgen oder meine beruflichen Ziele zum Ausdruck bringen kann. Andersherum ist es für Personalverantwortliche fast unmöglich, die Potenziale ihrer Mitarbeitenden zu erkennen, wenn sie sich nicht direkt mit ihnen unterhalten können. Viele wissen oft gar nichts über ihre Mitarbeitenden – welchen Bildungshintergrund sie haben, welche Ambitionen sie haben, welche Erfahrungen sie mitbringen. Und natürlich muss ich meine Rechte und Möglichkeiten kennen, um überhaupt berufliche Ziele entwickeln zu können.

Und mit dem inhouse-Sprachkurs kommen die Teilnehmenden so weit?

Es gibt Teilnehmende, die recht gut verstehen, sich aber nicht trauen zu sprechen. Es gibt Teilnehmende, die sehr leicht lernen, vielleicht schon andere Fremdsprachen sprechen, oder die sehr fleißig sind, sehr engagiert auch zuhause üben, Hausaufgaben machen, nach zusätzlichen Aufgaben fragen. Es gibt Teilnehmende mit einer speziellen Motivation, schnell Deutsch zu lernen, die z.B. auf dem Sprung in eine andere Arbeit sind oder Vorbild für ihre Kinder sein möchten. Es gibt natürlich auch Teilnehmende, denen das Lernen schwerfällt, obwohl sie wollen, und Teilnehmende, die sich über viele Jahre mit sehr geringen Deutschkenntnissen gut eingerichtet haben und eigentlich keinen Grund sehen, diese Situation zu verändern. Gerade im Housekeeping sammeln sich ja Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen. Ich kann jede und jeden Einzelnen ein Stückchen weiterbringen, und ich kann zeigen, dass es sich lohnt, zu lernen.

Wie gehst Du mit dieser Heterogenität um? Wie werden die Gruppen zusammengestellt?

Der Kurs findet inhouse statt, ich bin in jedem der drei Hotels alle 14 Tage für 90 Minuten. Das Hotel entscheidet, wer am Kurs teilnehmen soll. Das geht nicht nur nach Deutschlernbedarf, sondern Motivation, Bindung ans Unternehmen, Wertschätzung der Arbeitsleistung und Interesse der Mitarbeitenden spielen bei der Auswahl eine Rolle. Ich arbeite dann mit allen „Ausgewählten“ gemeinsam während der Arbeitszeit.

Das heißt, der Kurs ist im Dienstplan festgeschrieben?

Das war nicht in allen Häusern von Anfang an so, hat sich aber bewährt, so dass der Kurs als verbindlicher Termin im Team bekannt ist. Trotzdem schwankt die Teilnahme – wegen Krankheit, Vertretung, kurzfristigen zusätzlichen Personalbedarfs usw. Ich weiß vorher meist nicht, wer aus der Gruppe kommt. Für mich heißt das: Jeder Termin muss eigentlich eine abgeschlossene Einheit sein, aus der jeder, jede Teilnehmende direkt etwas mitnimmt. Ich greife also das auf, was ich sehe oder was Teilnehmende mir zuwerfen – Räume, Mobiliar, Arbeitsgeräte, Tätigkeiten, besondere Vorkommnisse des Tages, oder ich gehe von einer häufig wiederkehrenden Situation im Arbeitsalltag aus, oder von einer Arbeitsanweisung, oder von einem passenden allgemeinsprachlichen Text, z.B. zu Haushalt oder Wohnung. Daraus entwickle ich in der Doppelstunde Vokabular und Grammatik mit Übungen in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden.

Wäre nicht ein bisschen mehr Kontinuität gut für alle Beteiligten?

Natürlich! Für eine Dozentin ist es eine enorme Herausforderung, so flexibel und spontan zu sein, das geht nur mit einem großen Fundus an geeignetem Material und Erfahrung für den konkreten Sprachkontext. In diesem Fall hatten wir die Möglichkeit, das schrittweise zusammen aufzubauen, aber in der Regel finden Betriebe natürlich keine Sprachschulen oder Lehrenden, die so spezialisiert sind, das lohnt sich in der Regel nicht. Und für die Teilnehmenden ist es auch problematisch, wenn Inhalte und Übungen im Kursverlauf nicht aufeinander aufbauen, wenn nicht nach Bedarf wiederholt oder vertieft werden kann und wenn sie ihre persönliche Entwicklung nur schwer erkennen können. Aber ich sehe schon auch, dass eine regelmäßige Teilnahme im Betriebsalltag gerade in dieser Branche und in dieser Abteilung sehr schwer zu organisieren ist.

Helfen Hausaufgaben?

Einige Teilnehmende fragen, wie sie an den Inhalten, am Thema einer Stunde selbstständig weiterarbeiten können. Ich gebe ihnen dann Anregungen und Material, auch wenn ich in der nächsten Stunde meist nicht wieder daran anknüpfen kann. Bei vielen Teilnehmenden lassen aber ihre Fahrtwege, ihre familiären und sonstigen Verpflichtungen gar keinen Raum zum selbstständigen Lernen. Gerade für sie ist es notwendig, dass der Unterricht während der Arbeitszeit stattfindet und auch effektiv ist.

Kann denn der Betrieb noch mehr tun als Freistellung, damit die Beschäftigten vorankommen?

Auf jeden Fall! Das Umfeld ist beim Sprachenlernen ein ganz wesentlicher Faktor. Man lernt eine Sprache nicht, indem man sich alle zwei Wochen 90 Minuten lang in einem Seminarraum damit beschäftigt. Eine Sprache zu lernen ist ein stetiger Prozess, in dem ich das, was ich im Kurs lerne, immer wieder anwende, übe, korrigiere, bis ich gar nicht mehr darüber nachdenken muss. Viele Teilnehmende sprechen ja auch in ihrem privaten Umfeld oft kein oder wenig Deutsch, und da kommt den deutschsprachigen Kollegen und Kolleginnen eine wichtige Rolle zu. Das ist auch gar nicht so schwer, wenn man sich einmal überlegt, welche Unterstützung man selbst beim Sprachenlernen gerne hätte: Dass mein Gegenüber langsam und deutlich spricht, keine allzu komplizierten Sätze macht, immer dasselbe Wort für dieselbe Sache verwendet, besonders schwierige Dinge wie Anspielungen, Ironie und Redewendungen vermeidet, wichtige Wörter vielleicht mal aufschreibt, mich gerne auch mal korrigiert usw. Und dass ich selbst in Ruhe sprechen, Fragen stellen oder nochmal wiederholen kann, was ich verstanden habe, so dass wir beide sicher sind, dass alles richtig angekommen ist. Es gibt da eine ganze Reihe von Tipps für die kollegiale Sprachförderung im Arbeitsalltag – die gelten natürlich auch für alle anderen Arbeitssprachen. Es kostet ein bisschen Zeit, sich daran zu gewöhnen, und auch die Gespräche werden ein bisschen langsamer, aber es fördert enorm die sprachliche Kommunikation und das gegenseitige Verständnis am Arbeitsplatz.

Wie finde ich als Betrieb mit möglichst wenig Aufwand Hinweise, Anleitungen oder Kurse, die passen?

Mit den neuen Job-Berufssprachkursen wurden die bisherigen geförderten Berufssprachkurse jetzt, also Anfang 24, „betriebstauglicher“, das heißt: flexiblere Teilnahmezahlen, flexiblerer Stundenumfang, näher am Arbeitsplatz. Die zugelassenen Anbieter von Berufssprachkursen stellen sich jetzt darauf ein, das sind zum Beispiel die Volkshochschulen, die bekannten großen Sprachenschulen und spezialisierte Bildungsträger. Da entstehen sicherlich neue Formate und Unterrichtskonzepte, die für Betriebe interessant sind. Auskunft geben in der Regel der Arbeitgeberservice der Agentur für Arbeit und das BAMF.

Eine gute Quelle ist auf jeden Fall auch die Fachstelle Berufsbezogenes Deutsch (https://www.deutsch-am-arbeitsplatz.de/fachstelle/das-team). Die Stelle sitzt in Hamburg, sammelt alles, was sich rund um Sprachvermittlung am Arbeitsplatz tut, und hat auch selbst ein Modell dafür entwickelt, Sprachförderung im Betrieb passgenau einzuführen.

Ansonsten kann ich nur empfehlen, wie es in meinem Fall gelaufen ist: Tun Sie sich mit anderen Unternehmen zusammen, die ähnliche Bedarfe haben, gehen Sie gemeinsam auf einen Fortbildungsanbieter oder eine Sprachschule zu – manche bieten ja speziell für das Gastgewerbe an, auch der DEHOGA Berlin zum Beispiel – und teilen Sie sich die Kosten für einen Sprachlehrer, eine Sprachlehrerin, die Ihnen inhouse-Kurse maßschneidert.

Vielen Dank für das Interview!

Berlin im April 2024

Direktkontakt zur Dozentin: Claudia Wack c.wack@hotmail.de